Geschäftsbericht 2020 zur Nachhaltigkeit

34 Ökologie Manchmal kommt es vor, dass wir Kunden beraten und ihnen empfehlen, keine neuen Möbel anzuschaffen, sondern die bestehenden Möbel restaurieren zu lassen. Das klingt widersprüchlich, denn eigentlich sollte man annehmen, dass ein Möbelhersteller wie Girsberger davon lebt, dass Kunden in neue Möbel investieren. Es passiert trotzdem immer häufiger, und zwar immer dann, wenn wir der Meinung sind, dass das vorhandene Mobiliar gut und erhaltenswert ist und eine Restaurierung lohnt. Zum Beispiel im Fall von Konzert- saalbestuhlungen, Büro- oder Restaurantmöblierungen, Hallenstühlen oder ganz allgemein im Fall von Möbeln, die einen historischen Wert haben, unter Denkmalschutz stehen oder Klassikerstatus haben. Dabei spielt es für uns keine Rolle, von welchem Hersteller die Möbel stammen. Entschei- dend ist, ob sie werthaltig sind und ob eine Aufarbeitung oder eine Restaurierung lohnt. Das ist häufiger der Fall als man denkt. Man muss die lohnenden Fälle nur erkennen. Zurzeit bearbeiten wir zum Beispiel den Auftrag eines grossen Schweizer Konzerns, den wir davon überzeugen konnten, bestehende und ausgediente Büroarbeitstische nicht einfach zu entsorgen, sondern sie zu kompakten und leicht transportierbaren Tischen fürs Home­ office der Mitarbeiter umzubauen. Bei diesem Projekt profitieren alle. Der Arbeitgeber versorgt seine Mitarbeiter mit einem vernünftigen Tisch für die vermehrte Arbeitszeit im Homeoffice. Die Mitarbeiter erhalten einen Arbeitstisch zu einem erschwinglichen Preis, weil durch die Wiederverwendung von bestehendem Material massiv Kosten eingespart werden. Darüber hinaus wird der alte Tisch im Sinne der Kreislaufwirtschaft ressourcenschonend einem zweiten Lebenszyklus zugeführt. Natürlich hätten wir dem Kunden auch geeignete neue Homeoffice-Tische anbieten können, aber das wäre weniger nachhaltig gewesen. Und da wir Remanufacturing seit vielen Jahren mit einem spezialisierten Geschäftsbereich betreiben, war der Umbau der vorhandenen Tische ein wirtschaftlich sinnvolles Projekt – für den Kunden und auch für Girsberger. Wir haben uns alle viel zu sehr daran gewöhnt, altes Mobiliar einfach wegzuwerfen. Das liegt auch daran, dass Möbel, gemessen an der durchschnittlichen Kaufkraft in Deutsch- land und in der Schweiz, relativ billig geworden sind. Wir können es uns leisten, Möbel nach ein paar Jahren wegzuwerfen. Eine Fehlentwicklung, wie wir alle wissen. Der Planet kann sich die daraus resultierenden Ressourcenverbräuche und Emissionen nicht mehr lange leisten. Es ist gut, dass uns immer mehr bewusst wird, dass in Zukunft an einer echten Kreislaufwirtschaft kein Weg vorbei führt. Es ist auch gut, dass dies mit einem gewissen Wertewandel einhergeht, der uns die Authentizität und den Wert von alten Dingen mehr schätzen lässt. Dem gegenüber scheint die Faszination des stets Neuen für Viele an Kraft zu verlieren. In der Architektur ist es längst selbstverständlich, dass „Bauen im Bestand“, also das Bewahren von Bestandsbauten und deren Umnutzung ein wichtiges Ziel ist und häufig besonders eindrückliche Architektur entstehen lässt. Warum sollte diese Zielsetzung des Bewahrens und der erneuten Nutzung nicht auch für Möbel, Produkte und Gebrauchs- gegenstände gelten? Mit unserem Geschäftsbereich Remanufacturing betreiben wir diese Methode im Möbelbereich seit Jahren. Und seit einiger Zeit können wir damit ein konstant hohes Wachstum verzeichnen. Ganz offensichtlich ist die Zeit reif für den Umgang mit Möbeln im Sinne der Circular Economy. Mathias Seiler Remanufacturing und Circular Economy Mathias Seiler Leitung Design und Marketing, Girsberger Holding AG „In Zukunft führt kein Weg mehr an einer echten Kreislauf­ wirtschaft vorbei.“

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